August 2021

Hybrid Working Culture – Microentrepreneurship vs. Micromanagement

COVID-19 hat unsere Arbeitswelt mit einem Schlag verändert und deren Ausgestaltung wird fluide durch die Inzidenzlage beeinflusst. Somit folgt auf die Phase des Home Offices nun die Phase der Rückkehr ins Büro. Dies jedoch nicht zu 100%, da einige Unternehmen das remote Arbeiten als Option beibehalten. Hieraus entstehen Mischformen der Zusammenarbeit zwischen Ortgebunden- und Ortsunabhängigkeit und somit die Frage, wie diese hybride Arbeitswelt gestaltet sein kann.

Die aktuelle Diskussion zur hybriden Arbeitswelt stützt sich häufig auf prozessuale Arbeitsabläufe und strukturelle Fragen zu digitalen Tools, zur Organisation hybrider Meetings, zur technischen Infrastruktur sowie zur Behebung technischer Fallstricke. Viel wichtiger als das ist jedoch die Frage, wie eine hybride Arbeitskultur entwickelt werden kann, welche Vertrauen, Fairness und gemeinsame Hochleistung bei örtlicher und zeitlicher Flexibilität ermöglicht. Andernfalls tappen wir bei der Einführung des hybriden Arbeitens in die gleiche Falle, wie bei der Einführung von New Work. Viele Unternehmen scheiterten in der New Work Transformation daran, dass primär Strukturen und Abläufe durch neuer Arbeitsformen geschaffen und nicht zeitgleich eine New Work Culture ausgebildet wurde (vgl. Bruch, Block & Färber, 2016). Die Erfahrung der New Work Transformation hat bereits gezeigt, dass neue Arbeitsformen und -methoden unzureichend sind und dass es auch ein Umdenken in der Art der Zusammenarbeit bei jedem Einzelnen sowie eine angepasste Form der Führung an neue Gegebenheiten braucht (vgl. Schermuly, 2020, vgl. Bruch & Berenbold, 2020).

Hybrid – Trotz aller offenen Fragen die richtige Richtung einschlagen

Die Dynamisierung unserer Arbeitswelt hat gezeigt, dass wir auf das unternehmerische Handeln des Einzelnen angewiesen sind. Durch das hybride Arbeiten werden Dynamik und Komplexität noch weiter beschleunigt, so dass bestehende Kontrollmechanismen dem nicht mehr gerecht werden (vgl. Wimmers, 2021). Mitarbeitende arbeiten über unterschiedliche Distanzen und Zeiten zusammen, empfangen Informationen ungleich und müssen Vor- und Nachteile wechselnder Präsenzformen ausgleichen. Das ist unmöglich top-down steuerbar. Es wird auf den Menschen ankommen, wie gut die Zusammenarbeit hybrid gelingt und nicht auf Regelwerke – Es braucht Microentrepreneuship und nicht Micromanagement.

Microentrepreneurship heißt, dass Individuen unabhängig von formalen Rollen Ownership für die gemeinsamen Ziele haben, täglich ihren Beitrag an deren Erreichung maximieren und Entscheidungen an diesen ausrichten. Der Begriff steht für gelebtes Unternehmertum auf allen Ebenen und ist Grundlage für Selbstorganisation (vgl. Hamel & Zanini, 2020). Gerade in einem dynamischen Umfeld ist es entscheidend, dass alle im Unternehmen das WHY kennen und frei in der Ausgestaltung des WIEs sind. Mircoentrepreneurship ist ein Treiber für Anpassungsfähigkeit, der von Freiraum lebt und von Überregulation erstickt wird. Es braucht jedoch gewisse Rahmenbedingungen:

  • Klarer Richtungssinn: Die Stärke von Microentrepreneuren entfaltet sich, wenn die Kräfte auf gemeinsame Ziele hin gebündelt werden und Leistung nicht ausschließlich durch die Summe der individuellen Handlungen erbracht wird. Entscheidend ist die gemeinsame Interaktion zur Zielerreichung und eine konsequente Zielausrichtung.

  • Ökosysteme schaffen: Es braucht übergreifende Netzwerke und Plattformen zur Kommunikations- und Wissensverbreitung, um den Beitrag zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu maximieren. Nur so können Synergien über Silos hinweg geschaffen und der Blick über den Tellerrand hinaus ermöglicht werden.

  • Ständiges Ausbalancieren von Standards und Freiraum: Microentrepreneure mit einem klaren Richtungssinn können die Ausgestaltung des WIEs selbstorganisieren. Das heißt jedoch nicht, dass sie im luftleeren Raum agieren. Selbstorganisation braucht Standards zur Orientierung in Kombination mit Freiraum. Diese Standards müssen jedoch immer unter dem Aspekt gesetzt werden, dass sie Selbstorganisation nicht durch Regelwerke einengen, sondern durch förderliche Rahmenbedingungen verstärken.

Ein Schlüssel zur Entwicklung einer hybride Arbeitskultur ist es also, den Mut zu haben Micromanagement zu vermeiden und einen Kontrollverlust zu Gunsten von Microentrepreneurship zuzulassen. Trotz diesem ersten Schritt sind weitere kulturelle Stolperfallen des hybriden Arbeitens zu überwinden. Diese kulturellen Stolperfallen sind u.a. die Entstehung von Zweiklassengesellschaften, von Exklusion sowie von neuen Silos zwischen im Büroanwesenden und remote Beschäftigten. Das Risiko für das Auftreten dieser Stolperfallen ist zudem stärker in toxischen Arbeitskulturen. Nachteile des hybriden Arbeitens werden zur Forcierung von Machtunterschieden bewusst missbraucht. Hybrides Arbeiten ist ein Verstärker der zuvor gelebten Arbeitsweisen. Unternehmen, welche bereits in den ersten COVID-19 Phasen und zuvor an einer modernen Arbeitskultur gearbeitet haben, werden auch beim Übergang in eine hybriden Arbeitskultur Vorteile im Umgang mit den Stolpersteinen erfahren.

5+1 Punkte für eine Hybrid Working Culture

Es gibt nicht DAS hybride Arbeiten. Es gibt jedoch Führungsverhaltensweisen, welche in allen Konstellationen eine vertrauensvolle, faire und von Kohäsion geprägte Hybrid Working Culture fördern. Diese Führungsverhaltensweisen sind dabei mehr als der reine Ausgleich der Vor- und Nachteile. Sie sind Teil der hybriden Organisationsentwicklung. Es folgen 5 Punkte für den Beitrag der Führungskräfte und ein Punkt für den Beitrag hybrider Teams.

Richtungssinn stärken:

Basis für Micooentrepreneurship ist ein gemeinsamer Richtungssinn als Maßstab für gemeinsames Handeln. Führungskräfte sollten keine Gelegenheit auslassen, um über gemeinsame Ziele zu inspirieren und das WHY aller Tätigkeiten in den Vordergrund zu stellen. Gerade im Hybriden besteht durch räumliche Distanz das Risiko der Verwässerung oder des Auseinandertriftens gemeinsamer Ziele. Führungskräfte sollten aktiv nach Austauschformaten suchen, um diese immer wieder zu schärfen.

Gemeinsame Erfolge sichtbar machen:

Um der Zweiklassengesellschaften entgegenzuwirken, sollten Führungskräfte die gemeinsamen Erfolge der gesamten Belegschaft und nicht einzelner herausstellen. Führungskräfte fördern so das Verständnis, dass alle einen unverzichtbaren Beitrag leisten und aufeinander angewiesen sind. Das schafft Perspektivenwechsel und gegenseitige Wertschätzung. Es unterstützt Mitarbeitende in der Akzeptanz der zwangsläufigen Vor- und Nachteile zwischen Ortsgebunden- und Ortsungebundenheit.

Durchmischung fördern

Laut Vogel & Lopera, (2021) kommt es in hybriden Arbeitskontexten eher zu Subgruppenbildung. Grund ist, dass die Kohäsion unter Mitarbeitenden in Präsenz stärker ist als unter Mitarbeitenden im rein virtuellen Austausch. Regelungen wie z.B M&D verstärken diesen Effekt. M&D heißt, dass ein Teil der Belegschaft an den Wochentagen mit M vor Ort ist und der andere Teil an Wochentagen mit D. Führungskräfte sollten daher Subgruppenbildungen bewusst entgegenwirken und Mitarbeitende aus beiden Welten aktiv durchmischen. Gerade bei der Vereinbarung hybrider Arbeitsregeln gilt es also diese auf ihre Tendenz zur Verstärkung von Spaltungen zu prüfen. Vielmehr sollten Aufgaben übergreifend verteilt und Plattformen zur Begegnung vor Ort und virtuell geschaffen werden. Manche Unternehmen arbeiten beispielsweise mit Buddysystemen oder mit sogenannten emotionalen Touchpoints zwischen Subgruppen. Oft hilft aber auch schon das Bewusstsein der Führungskraft zu Subgruppendynamiken und der prüfende Blick diesbezüglich auf die neu vereinbarte Arbeitsorganisation und -abläufe.

Best-Practice Exchanges etablieren:

Ein Nachteil der remote arbeitenden Belegschaft ist das Verpassen des informellen arbeitsbezogenen Austausches im Büro und von schnell geteilten Erfahrungswerten. Microentrepreneurship lebt jedoch von informeller Vernetzung zur Wissensweitergabe. Führungskräfte sollten dafür Sorge tragen, dass informelle arbeitsbezogene Informationen auch virtuell geteilt werden können. Hierfür bieten sich Best-Practice Exchanges an. Ein produzierendes Unternehmen organisiert z.B. im Rahmen einer Datenschutzinitiative Best-Practice Exchanges zwischen Mitarbeitenden zu Learnings in der Umsetzung neuer Policies. Ein Problem sind auch Lücken durch Parallelkommunikation im Büro nach virtuellen Meetings. Um dies zu umgehen können Tandems zwischen der Belegschaft im Büro und der Belegschaft im Home Office gebildet werden. Eine an der Parallelkommunikation beteiligte Person holt dabei mindestens eine remote arbeitende Person zu dem im Nachgang Besprochenen ab.

Räume für Nähe installieren:

Ein weiterer Nachteil der remote arbeitenden Belegschaft ist neben der funktionalen Informalität (Vogel & Lopera, 2021) auch der fehlende menschliche Austausch. Dies führt auf Grund des sogenannten Proximity Biases zum emotionalen Ausschluss der Kollegschaft ohne Präsenz (vgl. Peppert & Posor). Dies hat einen Effekt auf weiche Leistungstreiber wie Vertrauen oder psychologische Sicherheit. Führungskräften sollten also aktiv auch Möglichkeiten zu virtuellem persönlichem Austausch schaffen, um den Dynamikvorteil der Mitarbeitenden in Präsenz auszugleichen. Dies können gemeinsame virtuelle Events sein oder auch ganz einfache Methoden, wie das Einbauen von kurzen Check-ins mit persönlichen Fragen in Meetings. Auch hierfür können die bereits in Punkt 4 erwähnten emotional Touchpoints oder Buddysysteme einen Ausgleich bieten. Wichtig ist alle Mitarbeitenden in verschiedenen Konstellationen über die Arbeitsebene hinaus in einen Austausch zu bringen, was einer ausgeprägten kommunikativen Umsicht und Planung bedarf.

Hybrid Working Culture ist Team Ownership:

Die Ausgestaltung der hybriden Zusammenarbeit ist nicht alleine Führungsverantwortung, sondern auch Teamverantwortung. Nicht zuletzt braucht erfolgreiches hybrides Zusammenarbeiten den Mindset Change aller Mitarbeitenden und Teams müssen auf der Grund der großen Bandbreite der Ausgestaltung von hybriden Zusammenarbeitsformen den passenden Modus für sich finden. Dies ist ein Prozess, in welchem gemeinsam ausprobiert und erfahrungsbasiert als Team gelernt wird. Empfohlen werden gerade in der Anfangszeit regelmäßige Retros oder Lessons Learned Sessions, in welchen Best Practices gesichert und Optimierungspotentiale identifiziert werden. Peppert & Posor (2021) schlagen auch das Anwenden eines 100 Tage Plans zur hybriden Zusammenarbeit vor. Wichtig ist laut den Autoren jedoch, dass die Führungskraft darauf achtet, dass die Umsetzung der eigentlichen Kernaufgaben des Teams reflektiert werden anstelle der reinen Diskussion über technische Hick-ups oder nicht funktionierende Tools. Die regelmäßige Überprüfung der hybriden Arbeitsweise durch Teams dient dazu diese agil auf die Gegebenheiten zu adaptieren und als Team eine funktionieren Hybrid Working Culture auszubilden.

Quellen

Bruch, H., Berenbold, S. (2020). New Work Jetzt!:
Neun Schritte für eine echte Transformation. Personalmagazin, 44 – 47.

Bruch, H., Block, C., Färber, J. (2016). Arbeitswelt im Umbruch. Von den erfolgreichen Pionieren lernen. Konstanz/St. Gallen: Top Job-Trendstudie 2016.

Hamel, G., Zanini, M. (2020). Humanocracy: Creating organizations as amazing as the people inside them. Harvard Business Review Press: Boston, MA.

Peppert, T., Posor, H. (2021). Hybride Teamentwicklung: Restart für die Zusammenarbeit. managerSeminare (282).

Schermuly, C.C. (2020). Wann New Work funktioniert und wann nicht. Harvard Business Manager, 22 – 29.

Vogel, I., Lopera, C.(2021). Hybrid Leadership: Herausfordernde Spielarten. managerSeminare (282).

Wimmer, J. (2021). Balancieren lernen. managerSeminare (281).

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Dr. Sandra Berenbold | Impact290Degrees
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